Studien

Bundesweit einzigartiger Modellversuch für noch leichteren Hochschulzugang

Ahnen: Beruflich Qualifizierte sind wichtige Zielgruppe für rheinland-pfälzische Hochschule

Mainz, 09.12.2010 -

Rheinland-Pfalz will in einem bundesweit einzigartigen Modellversuch neue Wege erproben, die Hochschulen für beruflich Qualifizierte weiter zu öffnen. Das kündigte Wissenschaftsministerin Doris Ahnen in Mainz an.

Mit Inkrafttreten des neuen Hochschulgesetzes am 1. September 2010 ist der Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte ohne Abitur bereits deutlich erweitert worden. Meisterinnen und Meister sowie gleich Qualifizierte haben einen fachlich unbeschränkten Zugang zu allen Hochschulen. Personen mit einer qualifizierten Berufsausbildung können nach mindestens zweijähriger beruflicher Tätigkeit jedes Studium an einer Fachhochschule aufnehmen. An Universitäten steht der Weg zu allen Studiengängen offen, die mit der Berufsausbildung verwandt sind. Gleichzeitig sind das bisher erforderliche Probestudium und die Eignungsfeststellung entfallen. In dem im Januar startenden Modellversuch will Rheinland-Pfalz darüber hinaus gehen und erproben, ob und unter welchen Bedingungen auch beruflich Qualifizierten ohne die geforderte zusätzliche zweijährige Berufserfahrung der Weg an die Hochschulen geebnet werden kann.

"Wir brauchen mehr Menschen mit einer akademischen Ausbildung, insbesondere um den steigenden Fachkräftebedarf mit hochqualifizierten Arbeitskräften abzudecken. Und wir wollen die Gleichwertigkeit allgemeiner und beruflicher Bildung weiter vorantreiben. Die Öffnung der Hochschulen ist dazu ein wichtiger hochschulpolitischer Schritt, mit dem Rheinland-Pfalz in Deutschland eine Vorreiterrolle einnimmt", erläuterte Bildungs- und Wissenschaftsministerin Doris Ahnen das Engagement der Landesregierung auf der heutigen Pressekonferenz, die zusammen mit dem Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Rheinhessen, Günther Tartter, dem Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Trier, Arne Rössel, Prof. Dr. Gerhard Muth, Präsident der Fachhochschule Mainz, sowie Prof. Dr. Wolfgang Bogacki, Vizepräsident für Lehre der Fachhochschule Koblenz, stattfand.

Noch gebe es zu wenige Studierende, die ihren Weg an eine Hochschule über ihre berufliche Qualifikation gefunden hätten. Im europäischen Vergleich studieren in Deutschland mit rund einem Prozent deutlich weniger beruflich Qualifizierte, als in anderen Ländern. In Rheinland-Pfalz waren 2009 875 beruflich qualifizierte Studierende eingeschrieben, allerdings mit steigender Tendenz bei den Studienanfängerinnen und Staudienanfängern zum Sommersemester 2010; hier lag die Quote bei 1,48 Prozent.

Die Öffnung der Hochschulen für beruflich Qualifizierte bedeute mehr Aufstiegsmöglichkeiten in der Bildung und ermögliche so auch einen sozial gerechteren Hochschulzugang, so Ahnen.

"Der Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte ist derzeit ein zentrales bildungspolitisches Zukunftsthema; mit dem neuen Hochschulgesetz nimmt Rheinland-Pfalz bundesweit eine Vorbildfunktion beim Thema Durchlässigkeit und Gleichwertigkeit allgemeiner und beruflicher Bildung ein", unterstrich Günther Tartter, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Rheinhessen.

IHK-Hauptgeschäftsführer Arne Rössel sieht für die Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern Rheinland-Pfalz im erleichterten Hochschulzugang und dem Modellversuch "quasi on Top" eine Stärkung und Aufwertung des beruflichen Bildungssystems mit seinen hervorragenden Karriereperspektiven. "Damit geben wir jungen Menschen und ihren Eltern schon in einer frühen Phase der Entscheidungsfindung eine Aufstiegsoption auch ohne die Notwendigkeit des Abiturs an die Hand und eröffnen damit unterschiedliche aber durchaus gleichwertige Wege in ein erfolgreiches Berufsleben."
Bundesweit einzigartiges Modellprojekt

Der Modellversuch wird ermöglicht durch eine Experimentierklausel im neuen Hochschulgesetz, die es erlaubt, von den bisherigen Zugangsvoraussetzungen abzuweichen. In einer Arbeitsgemeinschaft des Wissenschaftsministeriums, der Hochschulen und der Kammern wurde in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Qualitätssicherung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ein Modellversuch entwickelt, in dem untersucht werden soll, ob und unter welchen Bedingungen auf die zweijährige Berufserfahrung verzichtet werden kann. Damit könnte jungen Menschen mit einer Berufsausbildung zukünftig ein schneller und direkter Zugang zu den Hochschulen des Landes ermöglicht werden. Gleichzeitig soll die Situation von beruflich qualifizierten Studierenden insgesamt genauer untersucht werden, um zukünftig bessere Voraussetzungen für einen Studienerfolg zu erreichen.

Hochschulen, die sich am Modellversuch beteiligen, sollen in einzelnen ausgewählten Studiengängen beruflich Qualifizierte auch ohne berufliche Vorerfahrung aufnehmen. Diese sogenannten Kerngruppen werden intensiv während ihres gesamten Studiums wissenschaftlich begleitet und befragt, wobei auch die Lehrenden mit einbezogen werden. Im Sommersemester 2011 startet der Modellversuch zunächst an der Fachhochschule Mainz mit ihrem berufsintegrierenden Studiengang Betriebswirtschaftslehre und an der Fachhochschule Koblenz mit ihren ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen. In den beiden darauffolgenden Semestern werden weitere Fächer und Fachhochschulen an dem Modellversuch teilnehmen.

Parallel sollen alle beruflich Qualifizierten Studienanfängerinnen und Studienanfänger über alle Hochschulen und Fächer hinweg regelmäßig im Verlaufe ihres Studiums zu Motivation, Vorerfahrung, Einschätzung der eigenen Studierfähigkeit und Studienleistungen befragt werden. Hier soll untersucht werden, welche zusätzlichen Begleitmaßnahmen sinnvoll sind, um den Studienerfolg der beruflich Qualifizierten zu unterstützen.

"Die Fachhochschulen begrüßen außerordentlich den landesweiten Modellversuch, mit dem die Studienvoraussetzungen und der -erfolg beruflich qualifizierter Studierender untersucht werden sollen. Auf einer empirisch gesicherten Grundlage können die Studienangebote der Hochschulen noch besser auf die Zielgruppe der beruflich Qualifizierten abgestellt werden", betonte Prof. Dr. Gerhard Muth, Präsident der Fachhochschule Mainz.

"Die Fachhochschule Koblenz unterstützt den Modellversuch, weil man leistungswilligen und -fähigen jungen Menschen, die aus welchen Gründen auch immer keine formelle Hochschulreife haben, eine Chance geben sollte, ohne weitere Hürden zu studieren", erklärte Prof. Dr. Wolfgang Bogacki, Vizepräsident für Lehre der Fachhochschule Koblenz, die Teilnahme der FH am Modellversuch.

"Wir öffnen die Hochschulen weiter und gleichzeitig sorgen wir dafür, dass die Hochschulen entsprechend finanziell ausgestattet werden, um eventuellen besonderen Bedarfen von beruflich Qualifizierten in der Betreuung nachkommen zu können. So erhalten die Hochschulen Sonderprämien im Rahmen des Hochschulpaktes 2020 für alle beruflich qualifizierten Studienanfängerinnen und Studienanfänger. Über die Programmbudgets des Hochschulpaktes können außerdem gezielte Maßnahmen für diese Gruppe von Studierenden durchgeführt werden wie etwa spezielle Tutorien", betonte Ministerin Ahnen. Auf diese Weise sei es auch für die Hochschulen ein besonderer Anreiz, beruflich Qualifizierte Studierende aufzunehmen oder zusätzliche berufsintegrierende oder duale Studiengänge anzubieten.

Weitere Informationen finden Sie unter www.mbwjk.rlp.de/wissenschaft/studieren-in-rheinland-pfalz/hochschulzugang-fuer-beruflich-qualifizierte/

Wenig Chancen für Kinder ungelernter Eltern

Aktuelle Studie der Heinrich-Böll-Stiftung

26.10.2010 -

(red/pm) - In kaum einem anderen Industrieland ist die Durchlässigkeit der Gesellschaft so gering ausgeprägt wie in Deutschland. Weniger als ein Prozent der Bevölkerung schafft es, aus einem Elternhaus, in dem der Vater ungelernter Arbeiter ist, selbst in eine leitende Angestelltenposition zu gelangen. Dagegen werden ca. zwei Drittel der Kinder aus einer leitenden Angestelltenfamilie selbst leitende oder hoch qualifizierte Angestellte, das belegt eine aktuelle Studie.

Die im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung entstandene Studie "Kaum Bewegung, viel Ungleichheit" des Soziologen Reinhard Pollak vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) zeigt erstmals auf, wie wenig durchlässig die deutsche Gesellschaft ist. Die Studie erscheint am 25. Oktober und wird am 27. Oktober im Rahmen einer internationalen Konferenz in Berlin vorgestellt.

"Wir sind auf dem Weg zu einer geschlossenen Gesellschaft, in der die soziale Herkunft über beruflichen Erfolg und sozialen Status entscheidet", so Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. "Deutschland bietet Jugendlichen aus dem unteren Drittel der Gesellschaft nicht genügend Aufstiegschancen. Damit verplempern wir zugleich ungezählte Talente, die das Land angesichts des wachsenden Fachkräftemangels dringend braucht." Insbesondere das Bildungssystem müsse nach oben durchlässiger werden, Universitäten und Betriebe verstärkt Nachwuchskräfte aus bildungsfernen Schichten fördern. "Eine Einwanderungsgesellschaft kann nur Bestand haben, wenn jede und jeder die Chance hat, durch Bildung und Arbeit aufzusteigen".
Die Ergebnisse der Studie im Einzelnen:
Deutliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland

Während es in Westdeutschland vor allem für die 1940 bis 1959 Geborenen deutlich mehr Aufstiegsmöglichkeiten gab, hat sich in Ostdeutschland die ursprünglich viel höhere Aufstiegsquote bereits zu DDR-Zeiten verringert und nimmt seit der Wende immer schneller ab. Vergleicht man die berufliche Stellung der heutigen jungen Generation mit der Generation der Eltern, so findet man für Westdeutschland knapp doppelt so viele Aufstiege wie Abstiege. Ungefähr ein Drittel der heutigen Generation stellt sich besser als ihre Eltern, ein gutes Sechstel dagegen hat eine schlechtere Position als die Eltern. In Ostdeutschland gelingt nur ca. einem Viertel der heutigen jungen Erwachsenen ein Aufstieg im Vergleich zu ihren Eltern, jedoch erfahren über 30 Prozent einen sozialen Abstieg.
Aufstiegschancen für Migranten

Bisher mangelt es an Daten zur sozialen Mobilität von Migranten. Die vorliegende Studie bietet zum ersten Mal eine vorsichtige, aber dennoch umfassende Schätzung. Hiernach haben Migranten etwas geringere Aufstiegschancen und etwas höhere Abstiegsrisiken als Einheimische, jedoch ist insgesamt weniger der Migrationsstatus der entscheidende Einflussfaktor, sondern – wie bei den Einheimischen auch – die Bildung und die berufliche Stellung der Elterngeneration.
In Europa Schlusslicht bei sozialer Mobilität

Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten und den USA hat das Elternhaus in Deutschland einen deutlich größeren verhindernden Einfluss auf die soziale Mobilität der Kinder. In Schweden etwa ist der Einfluss des Elternhauses um ca. 30 Prozent schwächer ausgeprägt, und auch im klassenbewussten Großbritannien liegt die Stärke des Einflusses um ca. 15 Prozent unter dem Niveau von Deutschland.
Ursachen

Fleiß und Eigeninitiative allein reichen nur selten für einen Aufstieg. Daneben spielt auch das Elternhaus eine große Rolle für Aufstiegschancen und Abstiegsrisiken. Das liegt nicht zuletzt an den Besonderheiten des deutschen Bildungssystems mit der frühen Weichenstellung nach der 4. Klasse. Auch das stark ausgeprägte Berufsprinzip bietet im späteren Arbeitsleben wenig Gelegenheit, durch eine berufliche Neuausrichtung sozial aufzusteigen.

Kempen: "Master muss Regelabschluss sein!"

Bonn, 20.12.2010 -

Der Deutsche Hochschulverband (DHV) hat Bund und Länder aufgefordert, Konsequenzen aus der aktuellen Diskussion über die Zulassungsmodalitäten für ein Masterstudium zu ziehen. "Die Verknappung an Master-Studienplätzen ist hausgemacht. Per Zielvereinbarungen zwingt die staatliche Hochschulpolitik die Hochschulen dazu, den Löwenanteil ihrer Ressourcen in die Bachelorprogramme zu investieren. Nur für jeden dritten Bachelorabsolventen steht daher ein Master-Studienplatz zur Verfügung", erklärte DHV-Präsident, Professor Dr. Bernhard Kempen.

Umfragen bezeugten aber, dass drei von vier Bachelorabsolventen ein Masterstudium anstrebten. Das führe zur absurden Situation, dass selbst Absolventen mit guten Bachelor-Abschlussnoten vergeblich an das Einlasstor zum Masterstudium klopften. "Die staatliche Hochschulpolitik bleibt widersprüchlich: Auf der einen Seite werden für beruflich Qualifizierte die Schleusen für ein Bachelorstudium geöffnet, auf der anderen Seite wird der Zugang zum Master durch Quotierungen verriegelt. Diejenigen, die sich mit einem Master auf dem Arbeitsmarkt profilieren wollen, werden im Stich gelassen", hob der DHV-Präsident hervor. Dies sei umso bedenklicher, als laut einer Studie der Universität des Saarlandes die Bachelorabsolventen häufig mit Praktikumsstellen oder Trainee-Positionen abgespeist würden. "Von einem Direkteinstieg in das Berufsleben, den ein per Gesetz berufsqualifizierender Abschluss erleichtern helfen sollte, kann beim Bachelor bislang nicht die Rede sein", so Kempen. "Die Dekl aration des Gesetzgebers, der Bachelor sei berufsqualifizierend, und die soziale Wirklichkeit sind keineswegs deckungsgleich."

Vor diesem Hintergrund müsse der Master und nicht der Bachelor Regelabschluss werden. "Im Einzelfall mag auch der Bachelor berufseinmündend und –qualifizierend sein, in der Regel setzt aber eine vertiefte wissenschaftliche Bildung und Ausbildung, die das Ziel eines universitären Studiums sind, ein Masterstudium voraus", betonte Kempen. Bund und Länder müssten hierfür bei dem Hochschulpakt nachbessern und zusätzliche Mittel bereitstellen.

Der Deutsche Hochschulverband ist die bundesweite Berufsvertretung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland mit über 25.000 Mitgliedern.

 

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